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Cooler Sound

Ausgezeichnete Bücher, bemerkenswerte Autorin: Hotel Cartagena erscheint zwar erst Ende September, war aber jetzt schon Anlass, mit Simone Buchholz über ihre Krimis zu sprechen.

Der Anlass war ein Text für das Börsenblatt, der einmal nur Crime Ladys in den Blick nehmen sollte. Denn das Spannungsgenre ist immer noch deutlich männerdominiert: Der Studie #frauenzählen zufolge rezensieren Männer am liebsten Krimis von Männern. Aber immer mehr Autorinnen brechen die alten Strukturen auf, sichern sich Aufmerksamkeit und Preise. Simone Buchholz zum Beispiel.

Gender-Fragen beschäftigen sie dennoch, und sie erzählt von Erfahrungen, die eigentlich längst hinter uns liegen sollten: »Krimi-Autorinnen sollen vor allem nett sein, nett aussehen, nette Geschichten schreiben«: Autorinnen als Deko – das war gerade Gesprächsthema bei einem Krimi-Festival im britischen Newcastle. »Kolleginnen aus vielen verschiedenen Ländern nahmen teil, und wir alle machen diese Erfahrung.«

Immer noch gern genommen: die Frau als Opfer

Noch etwas beschäftigt sie – das Thema, mit dem Elisabeth Bronfen bereits 1992 Aufmerksamkeit über die Kulturwissenschaften hinaus fand: mit ihrer Habilitation »Nur über ihre Leiche. Tod, Weiblichkeit und Ästhetik«. Buchholz formuliert drastischer: »In Krimis werden Frauen immer noch auf Bahnhofstoiletten gefoltert und abgeschlachtet, während männliche Helden mit links die Fälle lösen, selbst wenn sie noch so kaputt sind.«

Offensichtlich wollen das Leser_innen aber doch, zumindest scheint man das in Verlagen zu glauben – oder nicht? »Wir müssen nicht fortführen, was seit 4.000 Jahren Thema ist«, antwortet Buchholz: »Frauen als Opfer und Prinzessinnen, die gerettet werden müssen.« Ihr Appell: »Lektor_innen sollten sich bewusst sein, dass Krimis zwar nicht die Welt verändern, aber Verhältnisse zementieren oder aufbrechen können.«

Deutscher Krimipreis

Sie selbst setzt in der Reihe um ihre Heldin Chastity Riley andere Akzente. »Blaue Nacht«, Band 6 und der erste bei Suhrkamp, war 2016 ihr Durchbruch. Für ihn und ihren coolen Sound wurde die Wahl-Hamburgerin mit dem Deutschen Krimipreis Platz 2 ausgezeichnet. Platz 1 gab es 2019 für »Mexikoring«: ein Buch über kriminelle Clans.

Vor allem Kinder und Jugendliche spielen eine Rolle, die mit Gewalt aufwachsen, Mädchen insbesondere, die zwangsverheiratet werden, kaum eine Chance haben, ihren gewalttätigen Familienkontexten zu entkommen. Ein Krimi, der eindringlich von der Kindheit als Hölle erzählt, dem aber trotzdem das Kunststück gelingt, zu fesseln.

Demnächst geht es weiter mit der Reihe: Im September erscheint »Hotel Cartagena« – eine Geiselnahme auf St. Pauli mit einer Hintergrundgeschichte, die in Kolumbien spielt. Es geht um Drogen und organisierte Kriminalität. Die 47-jährige Autorin hat aber nicht vor allem Verbrechen im Fokus: »Eigentlich erzähle ich keine Kriminalfälle, sondern Menschen.«

Versprochen: Am Ende ein Knall

Genau das macht ihre Bücher lesenswert: Es geht um sehr viel mehr als Action und Rätsel, die zu lösen sind – Simone Buchholz gehört zu den Krimi-Autorinnen, die tatsächlich etwas zu sagen haben.

Im neuen Band befasst sie sich mit den Folgen falscher Entscheidungen. Und sie spürt der Verletzlichkeit, den Verletzungen ihres etwas anderen Krimi-Personals nach, das bei den Fans so gut ankommt. Aber »einfach nur« eine Reihe zu reproduzieren, ist ihr zu langweilig, und so verspricht sie für diesen Band einen Knall am Ende, der die Reihe auf neue Wege führt. Es lohnt sich sicherlich, das Buch vorzumerken.

Dieser Buchtipp wurde zur Verfügung gestellt von Sabine Schmidt, weitere Buchtipps finden Sie auf krimisophie.de

Kategorie: Krimisophie